„Es wäre auch schade gewesen, wenn man die ganzen Leute niemals kennengelernt hätte! Ich kann nur jedem ein solches Jahr wärmstens empfehlen.“
Erfahrungsbericht Behindertenwerkstatt
Christoph M.
Mein Name ist Christoph M. und bevor ich mein Freiwilliges Soziales Jahr begann, kurz FSJ, machte ich mein Abitur! Kurz vor dem Jahreswechsel flog dann ein Brief in meinen Briefkasten. In diesem Schreiben wurde mir mein Musterungstermin mitgeteilt. Mit nun fast 18 Jahren wusste ich aber genau, dass ich keinen Grundwehrdienst leisten würde, weil ich mich mit der Bundeswehr keineswegs identifizieren wollte, weshalb sie nach Möglichkeit auch nicht meinen Lebenslauf schmücken sollte. Ich begann mich über den Zivildienst zu informieren. Nach einiger Zeit der Recherche öffnete sich eine Tür, von der ich nicht einmal wusste, dass es sie gibt. In Gesprächen mit anderen hörte ich immer wieder von dem sogenannten „FSJ“. Es interessierte mich erst recht wenig, da ich schon eine Zivildienststelle in Aussicht hatte. Einige Wochen nach meiner Musterung erhielt ich die Information, dass ich für den Grundwehrdienst untauglich sei. Demzufolge blieb mir auch die Möglichkeit des Zivildienstes verwehrt. Allerdings war ich mir sicher, dass ich studieren wollte, aber es erschien mir nicht sinnvoll für mich, gleich nach 12 Jahren Schule wieder die Schulbank zu drücken. Da kam mir das Freiwillige Soziale Jahr wieder ins Gedächtnis. Ein Jahr lang in einem Betrieb arbeiten. Das war der perfekte Ausgleich für mich! So bewarb ich mich und ich wurde auch prompt zum Vorstellungsgespräch eingeladen! Die Leute waren alle sehr klar in ihren Ausführungen, sodass ich wusste, was Sache ist! Sie antworteten auf Fragen und ließen keine Frage offen im Raum stehen! Mir wurde erklärt, was meine Aufgaben sein könnten und wie das mit diesen Seminartagen, von denen dauernd gesprochen wurde, funktioniert!
Am 1. September begann dann mein FSJ. Nachdem ich mich dann in meiner Einsatzstelle beworben hatte und alles in Sack und Tüten hatte, machte ich mich zum Begrüßungstag nach Potsdam auf. Viele junge Menschen traf ich dort! Viele Menschen hielten Reden und erzählten von ihren Erfahrungen im FSJ. Sie klangen alle sehr begeistert, was mich hingegen doch sehr skeptisch werden ließ. Seminare…ich konnte mir nicht vorstellen, dass das so toll werden würde, aber ich hatte mich dafür entschieden, also musste ich das auch durchziehen. Ich war noch nie ein Fan von solchen „Seminaren“!
Im Verlauf des Tages sollte ich meine FSJ-Seminargruppe kennenlernen, mit denen ich mindestens vier Seminare verbringen sollte. Ich betrat den Raum und es herrschte Totenstille…keiner sagte auch nur irgendwas… „Tolle Gruppe“, dachte ich mir, „da kann ich mich auch gleich mit einer Packung Schlaftabletten im Zimmer einsperren und es würde die selbe Stimmung herrschen“. Unsere Gruppenleiterin schien sehr nett zu sein…naja, wenigstens auf die Arbeit freute ich mich!
Ich begann am nächsten Tag meine Arbeit in einer Behindertenwerkstatt der Lebenshilfe! Ich hatte noch nie mit dieser Bevölkerungsgruppe gearbeitet und hoffte, dass ich damit klarkomme und etwas für mein zukünftiges Psychologiestudium lernen könne, da ich bei den psychisch-kranken Menschen eingesetzt wurde. Die Beschäftigten nahmen mich ganz herzlich auf und zeigten mir im Unternehmen alles.
Nun stand ich jeden Tag um 7.00 Uhr auf Arbeit und es viel mir nicht schwer, weil mir die Arbeit dort viel Spaß machte und ich wusste, dass diese Menschen sich über meine Hilfe freuen. Ich lachte viel während meiner Arbeitszeit und lernte auch wahnsinnig viel, was handwerkliche Tätigkeiten betraf. Es gab so viel, was ich im Abitur gelernt hatte, aber das konnte ich dort alles nicht anwenden. Mir wurden einige Sachen gezeigt, die ich mir so aneignen konnte und die mich in meinen Fähigkeiten weiterbrachten!
Nach einem Monat Arbeit geschahen zwei Sachen: 1. Ich bekam mein erstes Gehalt! Es war ein tolles Gefühl, sich auch mal größere Anschaffungen leisten zu können. 2. Mein erstes Seminar stand vor der Tür…Ich sollte in einen Ort, den ich noch nie gehört hatte. Ich erinnerte mich an meinen ersten Tag und an die Gruppe voller Schlaftabletten…Aber ich wusste, dass ich das durchstehe! Dort angekommen, wurden alle meine Vorahnungen über den Haufen geschmissen! Das Seminar war der reine Wahnsinn. Man lernte so viele unterschiedliche Charaktere kennen und konnte auch von ihren Erfahrungen profitieren. Es bildeten sich Freundschaften heraus und das gemeinsame Lachen schweißte die Gruppe zusammen! Wir spielten viel und lernten diverse WUP‘s (Warming-Up) kennen, die man nicht einfach als Kinderkram abstempeln sollte. Ich als Kampfsportler war auch nicht davon überzeugt, dass so etwas sehr sinnvoll und amüsant ist, heute sehe ich das anders!
Die Seminare sind wirklich hervorragend und auch danach blieb ich mit einigen in Kontakt, sodass sich Freundschaften herausbilden konnten. Auch ein Treffen mit einigen aus meiner Gruppe fand statt. Wenn mir das jemand noch am ersten September gesagt hätte, hätte ich diesen jemand ausgelacht.
Im Laufe meiner FSJ-Zeit entschied ich mich dafür, eine Ausbildung zum Teamer zu machen und auch solche FSJ-Gruppen zu betreuen.
Ich habe niemals bereut, dass ich dieses Freiwillige Soziale Jahr gemacht habe, da ich so viele Erfahrungen gemacht habe, die mir sonst verwehrt geblieben wären. Es wäre auch schade gewesen, wenn man die ganzen Leute niemals kennengelernt hätte! Ich kann nur jedem ein solches Jahr wärmstens empfehlen, denn es trägt dazu bei, dass man sich besser kennenlernt und man findet auch schnell seine eigenen Stärken und Schwächen heraus, denn die Arbeitswelt bringt Herausforderungen hervor, die es zu bewältigen gilt!
Also, ab zu ijgd und sich für das FSJ bewerben, denn es lohnt sich!
Erfahrungsbericht Behindertenwerkstatt
Anonym
Zurzeit mache ich ein FSJ in einer Behindertenwerkstatt.
Dort arbeite ich in der Multi-kreativ Gruppe. In der Gruppe sind 11 betreute Mitarbeiter tätig.
Um euch einen kleinen Einblick zu gewähren welche Tätigkeiten und Aufgaben ich erledigen muss, werde ich euch am besten mal einen Tag in der Werkstatt genauer schildern.
Um 8.00 Uhr beginnt für alle Betreuten der Tag. In der Werkstatt angekommen, ziehen sie sich die Jacken aus. Allerdings benötigen einige von ihnen meine Unterstützung beim ausziehen. Wenn alle in der Werkstatt sind gehen wir gemeinsam um 8.20 Uhr zum Morgenkreis, wo wir mit Musik und netten Sprüchen den neuen Tag begrüßen. Anschließend gehen wir dann frühstücken. Ich muss darauf achten, dass alle etwas essen und trinken. Den Betreuten, die nicht selbständig essen können, muss ich bei der Nahrungsaufnahme helfen. Nach dem Frühstück werden die Betreuten, die Hilfe bei den Toilettengängen benötigen, auf die Toilette gebracht. Einigen müssen die Windel gewechselt werden, anderen wieder rum muss bei der Körperhygiene geholfen werden. In der Werkstatt muss ich dafür sorgen, dass jeder betreute Mitarbeiter etwas zu tun hat und verteile Arbeit. Ich muss ihnen eine Anleitung bei den einzelnen Arbeitschritten geben. Wenn dann alle etwas zu tun haben, kontrolliere ich die „fertigen“ Arbeiten, mache Schleifarbeiten, bemale Holzspielzeug oder suche mir einen Betreuten mit dem ich gemeinsam Holz einöle, lackiere oder bemale. Es ist immer etwas zu tun. Damit die Betreuten sich zwischendurch auch mal bewegen, mache ich mit ihnen um Sport. Nach dem Sport machen sich alle wieder an ihre Arbeit.
Um genau 11.45 Uhr gehen wir Mittag essen. Ich bin für die Verteilung und das Portionieren des Essens zuständig. Einigen muss ich das Essen, wie zum Beispiel Fleisch, zerkleinern. Es gibt auch Mitarbeiter die meine Hilfestellung bei der Esseneinnahme benötigen. Alle Mahlzeiten, sprich Mittagessen und Frühstück, werden mit einem gemeinsamen Spruch begonnen und mit einem Dank beendet.
Nach dem Mittagessen ist Pause bis um 13:00. Bei gutem Wetter wird die schöne Außenanlage mit Sitzmöglichkeiten, Ballspielen und Fußballplatz genossen. Manchmal wird die Pause auch verlängert. Die letzten 1 1/2Stunden werden wieder mit Arbeit verbracht und um 14:45 gibt es den Abschlussspruch. Feierabend.
Für mich als männlichen FSJler hält die Multigruppe einen ganz speziellen Betreuten parat. Er ist ein schwerst mehrfach geistig und körperlich Behinderter, der im Rollstuhl sitzt und bei allen Dingen des alltäglichen Lebens Unterstützung braucht. Das heißt, jeden Morgen Jacke ausziehen, ihn zum Morgenkreis und zum Frühstück schieben. Bei der Nahrungsaufnahme muss ihm sehr viel geholfen werden. Besteck hält er zwar selbst in der Hand, diese muss aber zum Mund geführt werden. Dass das nicht immer kleckerfrei verläuft, ist auch klar. Beim Mittagessen bekommt er ein Handtuch um den Hals gelegt, das unter dem Teller geklemmt wird. Im Laufe des Mittagessens sammelt sich dann schon eine Menge in dem Handtuch an. Bleibt noch der Toilettengang am Vormittag. Um halb elf kommt er auf die Toilette. Da er, wenn er sich irgendwo festhalten kann, auch stehen kann wird er aus dem Rollstuhl gehievt, so dass er sich am Waschbecken festhalten kann. Steht er, wird er entkleidet und die Windel in den Müll geworfen um in dann anschließend aufs Klo zu setzten. Eine halbe Stunde später kommt er wieder von der Toilette runter und die ganze Entkleidungsprozedur erfolgt retour. Manchmal (bei Stuhlgang) muss halt auch der Po geputzt werden. Was man auch mit ihm macht, ist Lauftraining: Er wird aus dem Rollstuhl gehievt und dann an beiden Händen festgehalten. Jetzt muss er nur noch zum Laufen animiert werden, was er mal mehr, mal weniger enthusiastisch tut. Idealerweise geht mittels Unterstützung die Gänge zum Klo und zum Mittagessen. Das alles klingt jetzt nach viel Aufwand, ist aber halb so schlimm. Der Betreute, auch wenn er nicht reden kann, ist schlicht ein super netter Typ der einem auch Freude auf die Arbeit macht.
und des Bundesprogramms „Aufholen nach Corona für Kinder und Jugendliche“ im Land Brandenburg